July 11, 1869, Letter from Christian Frautschi to his parents and brothers in Switzerland


University of Wisconsin-Madison. Max Kade Institute. Frautschi Letters (MKI/Frautschi3/C1869G)

Electronic version: http://frautschi-letters.mki.wisc.edu/let/C1869/Christian1869.html

 


Madison July 11, 1869

Theure unvergeßliche Eltern u. Brüder!

Wohl werdet ihr lange Zeit auf ein Schreiben von uns geharrt haben. Ich wartete immer selbst auf ein Schreiben meines lieben Brüders in Minnesotte, welches sich so lange verzögerte. Ueber den Empfang des Geldes, werdet ihr durch den Botschafter Notiz erhalten haben; empfanget für eure Bemühungen meinen kindlichsten Dank so auch meinen verbindlichsten Dank an die Bürgen u. Grossrath G. Zimgri [?] für seine liberale Bemühungen, obschon ich ihm personlich unbekannt bin. Ich habe nehmlich [?] 377 Gold Thaler erhalten. Die Herren v. Bern nehmen sehr große Mäuler voll, wo sie angreifen können. Sie haben nehmlich für ihre Bemühung oder Gefälligkeit den Wechsel aus zu stellen bei 22 Gold Thalere oder 110 fr. genomen. Da meinte ich wohl anfänglich, durch Wechsel wolle ich kein Geld mehr aus meiner Heimath verlangen, sondern den Rest eher eigenhändig in Empfang nehmen. Jedoch können wir es angreifen wie wir wollen, so wird unser beschiedenes Theil, das uns wird zugemessen werden, noch bedeutend verschmällert ehe es die Reste Amerika erreichen kann. Zur Zeit, da ich das Gold in Papier umwechselte, stuhnd [stand?] es niedrig, nehmlich ein Gold Thaler entwarf [?] 130 in Papier, die 377 Th. entwarfen 489 in Papier, u. einige Wochen später stieg das Gold auf 140, wenn ich es zu dieser Zeit hatte können umwechsele, hätte ich 37 Papier Th. gewonnen. Wenn man sich theuschen [täuschen?] thäte, daß sich der Papier Th. nicht nach u. nach verwerthen u. dem Gold Tha. gleich kommen würde, so wurde unser beschiedenes Erbtheil zuletzt sehr klein ausfallen, denn bildet euch nicht ein, daß ein papier Th. soviel Werth habe wie ein 5 Fr. Stuck, nein, wenn wir ihn im Magasin für Kleider oder d. gl. ausgaben, so hat er bei uns nicht mehr werth, als bei euch ein 2 Fr. Stuck.

Der Bruder J. Jacob hat also im Winter ein ganz unkultivirte Farm gekauft, hat natürlich jetzt zu wenig Geld, um darauf anfangen u. sie cultiviren zu können; er will sie bei Gelegenheit wieder verkaufen u. sich noch weiter nördlich, wo es ihm besser gefällt, aus Congressland eine Heimstätte aneignen, dieses ist ein ganz vernüftiges und kluges Vorhaben von ihm.

Wenn ich schon den Kopf so voll von Gedanken habe, u. ich euch gerne über vieles, über natürliches, pollitisches u. kirchliches Gebiet dieses Landes schreiben möchte, so will ich mich doch auf's kürzeste für dieses mal beschrenken, den ich bin so seelen allein in meinem neuen Geschefte, welches meine Gedanken, Kräfte, kurze Wissenschaft u. besonders die Zeit sehr in Anspruch nehmt, auch denke ich, wenn ihr die Botschafter gut durch mustert, könnt ihr manches daraus entnehmen, das ich euch schonst [?] gerne schreiben möchte.

In kurze möchte ich euch bemerken daß ihr nicht zu trauern braucht, daß ich mich der evangelishe Gemeinschaft angeschlossen habe, den die Deutsch revormirte Gemeinde hier in Madison besteht größten Theils aus Freigeistern, die von Buße u. Bekehrung nicht wissen wollen, schon mancher Prediger hat entmuthigt diese Gemeinde als ein unfruchtbares Ackerfeld verlassen müssen, so sind der größere Theil der Deutsch reformirten Gemeinde Amerikas u. auch viele ihres Pastoren sind nur feige Miethlinge die es mit einem außere Formwesen u. todten Buchstaben bewenden lassen, deshalb die mehrsten, so noch Christenthums Gefühle in sich haben, die todten Gemeinden verlassen, u. sich der evangelische Gem., den Methodisten od. Englischen Kirchen anschießen.

Euch lieben Muter [sp]! die ihr Befurchtungen vernehmen ließet, daß wir vieleicht den Sontag durch Arbeit entheiligen, diene erstens zur Beruhigung, das die Landes Gesetze unnöthige Verrichtungen des Sontags verbieten. Dann gehe ich sontaglich 2. mal in die Kirche u. auch in die Sontagsschule, wo ich auch helfe die kleinen Kinder, so gut ich es verstehe, an das Stetz [?] [Stätigkeit?] des Evangeliums heranzuziehen. Mitwoch abends gehe ich in die Betstunde, wo sich auch der Prediger mit einfindet. Ueber mein neu gekauftes Geschefte kann ich euch noch nicht viel schreiben, werde euch aber später umständlicher darüber mittheilen. Vorläufig bin ich damit zimlich zufrieden. Ich habe seit der Uebernahme schon für uber 300 Th. verkauft, jedoch bildet euch nicht ein, daß ich damit bald reich werden wolle, oder großartig mit Geld um mich schmeißen könne, denn dieses ist ein kostbilliges Geschefte, welches mir auch viel Geld wegzehrt [sp?]; befürchtet aber auch nicht daß ich dabei nicht gut ausmachen könne, denn es ist, wie euch Hauswirth sagte, rentabel u. sicher. Ich trat mein Geschefte mit zimlich Besorgnissen an, hauptsächlich, weil es das englische Schreiben in Anspruch nihmt; denn ich habe mit englischen Gescheftsleuten anderer Städten zu verkehren. Z.B. von New York lasse ich metallene Särge, Lack, Firniss, u. d. gl. importiren; von Conectecout, Cincinati Silber u. Polsterwaren u .d. gl. zum ausstaffiren der Särge; von Chicago u. Milwaukie Nußbaum u. andre Holzsorten. Obgleich ich im englisch Schreiben noch schwach bin, so hatte ich doch bis jetzt noch keinen Anstand. Aber Gescheftsbriefe durch andere Schreiben zu lassen, ist hier nicht Mode, wenn einer das thut, so wird er nicht als Gescheftsmann angesehen, u. so behelfe ich mir selbst so gut ich kann. Inzwischen meinem Geschefte mache ich noch andere Möbelarbeit. Wenn ich mit dem Todtenwagen eine Leiche nach dem Todtenhofe zu fahren habe, halte ich einen Mann, der 2 Pferde stellt, dem ich für jede Ausfahrt 5 Th. zu bezahlen habe. Für ärmere Leute od. Kinder nihmt man natürlich den Wagen nicht.

In diesem Lande braucht es bei Gescheftsleuten einen nüchtern Verstand u. ein wachsames Auge, den man ist von allen Nationalitäten umgeben mithin auch von Schwindlere, die sich sehr fein zu benehmen wissen, die natürlich viel zu stolz wären in ein Haus zu brechen u. zu stehlen od d. gl. aber im Handel unter dem Schein des Rechten jemand beschwindeln zu können, da fühlen sie noch sehr stolz dabei u. machen sich eine Ehre daraus. Man hat auch schon Angriffe auf mich machen wollen, welche ich jedoch mit Entrüstung zurückgewiesen habe.

In solchen Fälen ist der Farmer der sorgenloseste u. glücklichste Mensch. Ich beabsichtigte auch selbst vor 2 Jahren zu farmen, da hatte mich jederman ausgelacht; dann habe ich mich entschlossen den Rest meiner Tage meiner Profhession zu widmen, obschon die Möbelarbeit hier wegen so vielen Fabricken sehr schlecht bezahlt wird, ja da hätte ich mich eben so gut in Europa etablieren können; u. die Bauarbeit bietet hier nur den Sommer durch Beschaftigung. Jedoch mein jetziges Geschefte bezahlt sich bedeutend besser. Ich meine aber, wenn einer seit 12 Jahren in der Fremde, wie ich, unter anderer Autorität gestanden ist, so soll es Pflicht u. Aufgabe sein selbständig zu werden, oder müssten wir nicht von Wilhelm Tells Gefühlen besselt sein. Uebrigens, wenn, ihr liebe Eltern!, die Uebelstände des Gesellenlebens wissen u. im rechten Lichte erkennen könntet, wurdet ihr Gott danken, daß ich nun einmal frei u. nicht ein ganz verdorbenes Subject nach Leib u. Seele geworden bin; die leiblichen Uebelstände des Gesellenlebens übergehend, möchte ihr eure Aufmerksam vorzuglich darauf lenken, wie man in Gefahr läuft, vom Sauerteige der liederlichen u. gottlosen Gesellschaften aungesteckt verprastet u. vergiftet zu werden, von denen man stets umgeben ist, bei Tag u. bei Nacht, bei Arbeit, Essen, u. Schlaffen.

 

Ich fühle dankbar zu Gott daß er bisher im Gnadenstande erhalten hat. Nun ihr lieben Eltern u. Brüder! Ich kann euch sagen, daß auch mir das irdische Glück hier in Amerika nicht gewogen war, ich fühle aber sehr dankbar zu Gott für die Segnungen die er meiner Seele miththeilt. Wenngleich, als ich Europa verließ, ich nicht recht wuste was ich that, u. mein Geist u. Gemüthe mit Dunkelheit umhüllet waren, so ist es jetzt mein unerschütterlicher glaube, daß ich durch Gottes weise Rathschluss hier bin, u. ich kann sagen der Herr hat alles wohl gemacht. Mithin geht's mir auch wie andere Europäere, wenn man hier einmal klimanisirt ist, so ist man nicht leicht zu bewegen in's alte Land, wie man's hier nennt, zurück zu kehren. Indessen bleibt mir die Schweitz u. besonders mein Heimathsort, meines Vaters Hauses unvergesslich; u. ich kann euch nicht läugnen (leugnen), daß ich mich nicht manchmal im Geiste hinüber zu euch wunsche, um meine Gefühle mit den Eurigen austauschen zu können, besonders wenn ich manchmal ermüdert in der Abenddämerung zum Fenster meines Kämmerleins sitze, meine Augen nach Europa richten [sp.], u. mein Geist

(The rest of this letter is missing)